Samstag, 16. Februar 2008

Warum Ich Überhaupt Da War und Die Physik Der Berühmtheit

Warum ich überhaupt da hingegangen sei? fragte mich meine Freundin. Das sei doch erbärmlich.

Scarlett Johansson und Natalie Portman, zwei Frauen, die ich in fantastischen Filmen gesehen habe, darunter „Lost in Translation“, „Hautnah“ und „Garden State“, mit denen ich schöne und unschöne Filmerlebnisse hatte, beide ungefähr in meinem Alter und beide für mich so unnahbar wie ein Weichkäse im Tiefkühlregal bei Plus für einen Kreuzschlitzschraubenzieher in meinem Werkzeugkasten. Und da bot sich die Chancen, beide auf einmal zu sehen. Ich musste sie ergreifen.

Fj, ein bei der Pressekonferenz anwesender Journalist der Berliner Zeitung, versucht in seinem Bericht der Wochenendausgabe dieser sonst alltäglichen Berlinaleveranstaltung die unverständlichen Notizen in seinem Block zu interpretieren, womit sich der Eindruck verstärkt, dass er sich mehr auf Scarlett Johanssons Mund und den Klang ihrer Stimme konzentriert hat, als das, was sie eigentlich sagen wollte.

Ist mir etwas Ähnliches passiert? Nein. Eine Frau, deren Gesicht ich kenne stand vor mir und hat Autogramme gegeben, nicht mehr und nicht weniger. Das ist Teil ihrer Arbeit, das, wovon sich viele Fans etwas versprechen, aber was? Der Fan geht in solchen Momenten auf, kann ohne einen Bildschirm zwischen sich und seinem oder ihrem Idol, Sexobjekt oder dergleichen, in der Aufregung untergehen, für einen Moment etwas Besonderes sein, wenn Scarlett Johansson den selbstgekauften Edding nimmt und auf dem selbstausgedruckten Foto unterschreibt. Für einen Moment gibt es eine Interaktion, das Größte, was in so einer Situation passieren kann.

Ich wollte sie einfach nur sehen. Schauen, ob Scarlett Johansson wirklich real ist. Und nicht nur ein Stück Zelluloid, keine Computeranimation. Natürlich ist sie real, denkt sich so mancher, was sonst. Sie ist eine amerikanische Schauspielerin, die wo wohnt und jeden Tag isst und pinkelt, der kalt ist und die sich Gedanken über Klamotten und Filme macht.

Ja, aber das war der Beweis. Und dennoch muss ich erst darüber nachdenken, dass es so gewesen sein muss, denn als sie da stand, gegenüber von uns, der geifernden wuchtigen Masse, da stand sie da im dreidimensionalen Raum vor dem Zaun und unterschrieb auf Papier und es war auch nicht wie in einem Film aber wirklich real war es auch nicht. Es ist die Physik der Berühmtheit. Menschen fangen an um einen zu kreisen, einen zu kontaktieren, zu fotografieren. Man wird ein Mittelpunkt. Doch es ist eine Physik, der man sich entziehen kann. Zum Beispiel indem man einfach nicht hingeht, oder sich Selbst und den Anderen als genauso wertvollen Menschen wahrnimmt. Dennoch ist es schwierig und zugleich ganz leicht mit der Physik der Berühmtheit.

Ist ein toter Heath Ledger mehr wert als ein toter Afghane, von dem wir noch nie gehört haben? Nein, aber wir dachten einen von beiden gekannt zu haben. Menschen, die wir kennen liegen uns am Herzen. Menschen aus Filmen kennen wir nicht. Ich kenne weder Heath Ledger noch Scarlett Johansson. Zwei mir unbekannte Menschen und einen von beiden habe ich jetzt gesehen. Real.

Der Fan ist Teil ihrer Arbeit und ihres Erfolgs. Dort muss er folglich auch bleiben. Physik ist niemals human, sondern unnahbar. Die Physik ist der Star, nicht Scarlett. Und dass wir ihrem Charme unterliegen ist wieder menschlich. Der emanzipierte Mensch steht darüber. Bis dahin ist es noch ein langer Weg. Aber wäre es auch einer, den man auf rotem Teppich beschreitet?

9 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Erbärmlich, genau ;P.
Und wie war Scarlett nun irl?
Und vor allem - das wichtigste Detail fehlt - wie war der BigRösti?

Anonym hat gesagt…

?wie war scarlett nun irl?

der bigrösti war GRANDIOS - ohne werbung machen zu wollen, aber man sollte so einen burger - ein zu geringes wort dafür - und seinen wert in einer bestimmten situation NIE unterschätzen!!!

Anonym hat gesagt…

Manchmal muß man dagewesen sein !
Ich denke wenn man einen Star begegnet und wie diser mit den Fansumgeht, sieht man in der kurzen Zeit, wie er ist! Für sich selbst kann das positiv oder negativ sein. Letzendlich ist er auch nur ein Mensch. Trotzdem muß man ihn manchal real sehen, den Star den man so verehrt. Der Eine brauch`s der Andere
nicht.

Anonym hat gesagt…

ich denke nicht, dass man an so einer kurzen unpersönlichen begegnung erkennen kann, wie jemand ist, schließlich kann man auch mal auf seinen manager hören und zu den fans rübergehen, weil die nützlich fürs geschäft sind.
dass man manchmal dagewesen sein muss denke ich auch, manches muss man sehen um es glauben zu können. wird realität überschätzt? auf keine fall! realität wird unterschätzt! macht die fernseher aus, das reale Leben wartet!

Anonym hat gesagt…

Erbärmlich ist, zu was für Mitteln manche greifen um an das Ziel ihrer Wünsche zu kommen, und die über Engagement hinausgehen.

Wie Scarlett oder sonstwer war interessieren mich eigentlich nicht. Ich würde auch ehrlich gesagt nie zu einer solchen "Veranstaltung" gehen. Ist ja im Grunde ein bißchen wie in die Kirche gehen ... man vergöttert jemanden, man möchte für einen Moment an dessen Werk teilhaben. Oh wie bitter oh wie schändlich ist die Realität, ignoriert sie einen doch zum Teil beharrlich, jene Person, jener Gott. Oder antwortet er/sie einem auf andere Weise? Und dort fängt der Glaube an.

Anonym hat gesagt…

das Bedürfnis zu glauben ist also da. aber die Überzeugung?

es ist wahrlich einfacher an einen filmstar zu glauben, man darf sich sogar ein Bild von ihm/ihr machen ;-)

Religion. Verehrung einer Berühmtheit. Berührungspunkte? Starverehrung als Einstiegsdroge für die Kirche? Das klingt ja nach einer spirituellen Verschwörung. Nein, im ernst. Klingt mir ein bisschen zu überspitzt, da diese Verehrung meiner Meinung nach sehr viel säkulärer ist als die religiöse Verehrung. 15 Minuten Ruhm erhoffen sich viele, das hat nichts mit Glaube zu tun, in der Hoffnung in Meiden aufzutauchen ist eine in Aussicht gestellte Selbsterhebung, da man damit zu Allgemeinwissen wird, man hat auf einmal Publikum. Ein Stück vom Kuchen Popularität abzubekommen, danach strebt der Fan, der am roten Teppich steht, nicht nach der Verehrung eines Götzenbildes.

Oder doch? Fernsehstars als Götter zum Anfassen? Haben Götter Fehler? Stars haben Fehler, jeder der seinen Star verehrt weiß das, Klatschmagazine gibts schließlich überall. Ob man es glaubt, da das Wort schon wieder, ist eine andere Debatte, die um Informationen und verschiedene Realitäten. Die des Fans ist verzerrt, ohne Frage, aber wo fängt Fanheit an, bei der Schokolade zum Frühstück, die man vergöttert? Die Grenzen sind mal wieder fließend...soll aber kein Totschlagargument sein.

Anonym hat gesagt…

was Religion ausmacht ist der Glaube an einen Gedanken, dem man nachgeht obwohl er nicht nur jeder Wahrscheinlichkeit trotzt sondern zum Teil auch wirklich irrelevant ist.

Sei es nun der Glaube vom Star bemerkt zu werden, selbst im Rampenlicht zu stehen, von Gott gesehen zu werden, von einem Gott ins Paradies geführt zu werden, dass Schokolade einen glücklich macht. Man glaubt an einen Gedanken, der leider in wenigen Fällen als einzigen Wert hat, dass man daran glaubt und was für eine Sicherheit man daraus gewinnt. Nimmt man einem Extrem-Fan das Idol, gibt's ein mittelschweres Desaster. (Man erinnere sich damals an das Take That Spektakel).

Das Problem ist nur: aus welchen Gründen glauben die Menschen, und zu was bewegt sie dieser Glaube ... und da machen mir einige Entwicklungen Sorgen ...

Anonym hat gesagt…

Das hört sich in meinen Ohren etwas zu abstrakt an und ich unterstelle deiner Argumentation, dass sie Glaube mit Hoffnung und emotionalen Befindlichkeiten vermischt, die nichts mit dem "Glaube" zu tun haben, denn der "Glaube" ist etwas Sicheres, etwas Feststehendes, eine Konstante, im Idealfall, an der man sich festhalten kann, auf der man Weltanschauungen aufbauen kann.
Bei einem extremen Fan kann das vielleicht tatsächlich zu einer gottähnlichen Verehrung eines Stars kommen, die Basis für eine Starzentristische (?) Weltsicht ist, aber die strukturellen und psychologischen Eigenschaften sind meiner Meinung nach andere. Zum Glaube gehört schließlich insbesondere die Abgrenzung vom allmächtigen Gott. Man weiß, dass man ihn sich nicht Untertan machen kann, man kann Gott nicht besitzen. Bei einem extremen Fan ist diese Tendenz meiner Meinung nach schon vorhanden.
Glaube macht stark, Fantum macht abhängig.
Beides nur jeweils eine Seite der gleichen Münze? Vielleicht. Aus Abhängigkeit kann auch Stärke entstehen. Dennoch denke ich, dass man "Glaube" und Fantum unterscheiden müsste.

Anonym hat gesagt…

Du warst aus purer Neugier da, schauen ob Scarlett wirklich real ist? 3d? existent und keine Computeranimation?

Ich möchte wetten, dass du Zettel und Stift dabei hattest, für den (von dir selbst sicher auch als unwahrscheinlich eingestuften) Fall, du könntest ein Autogramm erhalten.

Und an dieser Stelle stellt sich die Frage, warum? Was für einen individuellen Wert hätte ein solches Autogramm? Warum hat es diesen Wert? (und hierbei zählt nicht, dass du die Person schätzt, das tust du auch ohne Autogramm, sondern vielmehr, das Autogramm selbst, warum hat es einen Wert?) was verändert sich durch das Autogramm?

Und das ist die Frage, die ich gerne in deinem Blogeintrag beantwortet gewusst hätte. Denn es ist im Grunde auch ein Teil der Antwort auf die Frage, "Warum Ich Überhaupt Da War [...]".