Es wird Zeit für eine Bestandsaufnahme. Was hat sich getan in den letzten Tagen? Alles, was ich verschmutzt habe ist wieder sauber, Abwasch ist gemacht, die Küche ist passabel und jederzeit benutzbar. Der komische Geruch in der Kammer ist auch weg, ich musste dafür ein paar ältere Lebensmittel wegschmeißen. Im Schlafzimmer stehen zwei Wäscheständer, der eine könnte schon abgehängt werden, das mache ich noch. Über das Fensterexperiment im Arbeitszimmer bin ich noch nicht hinweggekommen, das mache ich auch noch.
Die Hälfte der Pläne im Haushalt, die ich mir gemacht habe, konnten nicht kurzfristig erfüllt werden. Das, was ich regelmäßig gemacht habe sind Arbeiten, die ich kenne und die ich kann. Die mir komplizierter und anstrengender, im Sinne von zeit raubend, vorkommenden Arbeiten habe ich erfolgreich immer weiter nach hinten verschoben. Es scheint mir immer noch unangenehm zu sein, mich ganz auf den Haushalt einzulassen. Pascha sitzt zufrieden neben mir und hechelt ruhig. Insgesamt gesehen ist ein Ein-Personen-Haushalt relativ einfach zu führen. Die Anstrengungen der reinen Selbstschmutzbeseitigung, sprich Abwaschen und Wäsche waschen und alles was zu dem jeweiligen Bereich gehört, sind schnell und routiniert erledigt.
Die Arbeiten der häuslichen Pflege, die passiven Schmutz, so nenne ich Staub und Dreck, der von draußen kommt, beinhalten gestalten sich schwieriger. Staub liegt theoretisch überall, eine Übermacht an möglicher Wischarbeit und Zeitinvestition lauern da an jeder Ecke. Das ist die große psychologische Herausforderung, der sich zu stellen ich in den letzten Tagen noch nicht bereit war.
Von gestern Abend stehen noch ein Glas und eine Tasse rum. Die Schreibtische sind noch nicht leerer. Vor meinem Bett lagen vorhin noch zwei Paar Socken. Ich habe heute lange geschlafen, es ist halb eins mittlerweile. Wäre meine Freundin hier, sie wäre vielleicht schon früher wach und nicht begeistert gewesen von der Wohnung. Die Socken sind natürlich schon weg. Länger hätte ich sie nicht liegen gelassen.
Mache ich Dinge nicht 100%ig? Eine Frage, die nur subjektiv zu beantworten ist. Generell muss ich natürlich zugeben, dass ich für die meisten „Passiver- Schmutz“ – Aufgaben länger brauche und diese mit größeren Pausen unterbreche, das sieht man am Beispiel des Fensterputzens. Mache ich dies dann aber gründlich? Ich schaue durch die Fenster und sehe noch ein paar gewischte Striemen. Sie stören mich selbst. Aber putze ich das Fenster deswegen noch mal? Es ist sehr viel sauberer als vorher! Sind 80% genug? In diesem Fall nicht wirklich, aber ich bin zu faul, das zu korrigieren. Ich denke, ich werde ersteinmal noch alle anderen Fenster reinigen und dann sehen, ob es überhaupt eine perfekt saubere Oberfläche geben kann. Meine Freundin würde das natürlich bejahen, sie kann sich mit vollem Einsatz so einer Herausforderung hingeben.

Ich identifiziere mich mehr mit dem Haushalt seit dieser Woche, das kann ich sagen. Er liegt in meiner vollen Verantwortung. Ich bin kein „helfendes“ WG-Mitglied, dass nur Aufgaben erledigt, die ihm zugetragen werden. Das ist wichtig, da der Haushalt so vollständig zu meiner Aufgabe wird. Ich kann sie auf niemanden abwälzen, muss mich alleine damit auseinandersetzen. So versuche ich dann auch an die Sache heranzugehen, wenn meine Freundin wieder hier ist. Ich werde sie nicht fragen, wenn ich wischen will oder dergleichen. Ich werde versuchen selbst herauszufinden, was ich wie benutzen muss. Voraussetzung ist natürlich, dass sie mir nicht in meine Arbeit reinredet. Das könnte ihr schwer fallen.
Seit gestern ist in mir folgende Idee gereift: Ich werde einen Monat lang alles machen. Den ganzen Haushalt und was dazugehört. Es gibt keine Arbeitsteilung. Ich mache das, was viele Hausfrauen in Deutschland und auf der ganzen Welt ihr ganzes Leben lang machen. Das geht natürlich nur, weil ich noch Ferien habe. Oder nicht? Welche erwerbstätige verheiratete Frau hat die Möglichkeit außerhalb ihres Urlaubs so eine Aussage zu treffen? Sie muss beides machen, Haushalt und Arbeit. Darum aber geht es in der Gleichberechtigung der Geschlechter. Jeder wird gleichberechtigt in die Aufgabenverteilung einbezogen. Beide müssen Zeit opfern um die Grundlage für das Arbeitsleben oder das Leben im Allgemeinen zu schaffen. Ich muss mich von der mir selbst antrainierten Vorstellung des „vor mich hin zu leben“ verabschieden. Dennoch bin ich weit davon entfernt, aus der Grundlage eine Hauptaufgabe zu machen, die das Maß des allgemeinen Sauberkeitsverständnisses überschreitet. Damit will ich mich nicht aus meiner Verantwortung herausreden. Aber ein nötiges zeitnahes Erledigen der Aufgaben kann auch mal zu einem zeitnah verschobenen Erledigen werden. Heißt, wenn ich keine Lust habe, was nicht Regel- sondern eher Ausnahmefall sein soll, dann muss ein Abwasch auch mal übernachten können. Arbeitsrhythmus hin oder her, ich sträube mich dagegen mich zum Knecht meiner eigenen Auflagen oder der meiner Freundin zu machen. Hört sich zu kämpferisch an? Ein Verteidigungszug vom Pascha? Ich denke, die grundlegende Verschiebung der Werte ist in den letzten Tagen getan worden. Heißt, ich erkenne die Notwendigkeit der Hausarbeiten für mich und nehme die Verantwortung an. Punkt. Pascha ist nicht tot, ich konnte ihm nicht die Todesspritze geben, denn er ist ein Teil von mir, wie jedes Haustier mit dem man jahrelang gelebt hat. Er wurde aber diszipliniert, die Woche Hundeschule hat ihn zu einem zahmeren Wesen gemacht, das nichts von seiner Würde einbußen musste.
Brauch er dafür eine Belohnung? Ein Leckerli? Ja, denn er ist ein Tier, das ohne Einsicht in sein Tun den pawlowschen Verhaltensmustern gehorcht. Als Mensch und Mann lehne ich dieses ab. Keine Belohnung für die Erfüllung der Grundlage unseres Lebens. Kein Ausweichen, kein „andere Männer machen viel weniger als ich“. Wir sind hier nicht im Kindergarten. Grenzen werden hier verschoben. Grenzen im Geschlechterverhältnis. Nun liegt es am Mann aufzupassen, dass sie im weiblichem Emanzipationsbestreben nicht zu weit verschoben werden. Den Identitätsverlust, mit dem viele Männer kämpfen ist meiner Meinung nach ein Resultat der Unsicherheit mit dieser Grenzverschiebung. Dies geschieht, wenn man sie nicht selbst auslöst oder beobachtet, wenn man sie geschehen lässt. Weibliche Emanzipation benötigt also immer auch männliche um beide auf gleiche Höhe zu bringen. Aufgrund des großen Rückstandes der Frauen ein schwieriges Unterfangen. Auch für mich.