Dies ist die aufregende Geschichte von den Erlebnissen, die mich zu meinem neuen Job brachten. Obwohl, bis jetzt weiß ich noch gar nicht, ob ich überhaupt noch einen Job bekomme. Vor zwei Wochen noch habe ich mich darüber aufgeregt, dass die „Wirtschaftskrise“ von allen nur hergeredet wird und eigentlich gar nicht existiert, dass ich sie jedenfalls nicht bemerke. Mittlerweile habe ich meinen Job verloren und es ist tiefster klirrend-kalter Winter. Hat nichts mit der Sache an sich zu tun, wird aber nochmal wichtig. Es war mein erster Job, in einer Videothek. Ich habe weder ein Bewerbungsschreiben verfasst, noch bin ich durch Vitamin B an die Stelle rangekommen. Ich bin einfach alle paar Wochen mal hingegangen und beim dritten Mal hat’s geklappt. Das war vor dreieinhalb Jahren. Noch habe ich ein bisschen Zeit, bekomme Bafög, aber in zwei Monaten ist das auch weg. Dann wieder Wohngeld oder Studienkredit vielleicht.
Naja, zurück zur Jobsuche, schließlich wird sie erfolgreich sein, junge Leute bekommen doch ständig irgendwelche Jobs, man muss nur offen dafür sein und Zufälle zulassen. Ein bisschen Sicherheit muss trotzdem sein. Also sieht meine Strategie folgendermaßen aus:
Erstens: ich bewerbe mich bei einer Stelle, mit der ich mich auskenne, also in Videotheken. Ich kenne jemanden, der in einer der großen Ketten arbeitet. Bewerbung geschrieben, hingegangen, abgegeben, fertig. Das lief doch wie geschmiert, das war doch sogar Vitamin B, oder? Naja, bei Vitamin B wird es vielleicht doch genügen, wenn man empfohlen wird und muss gar nicht erst was Schriftliches abgegeben...egal, geschafft ist geschafft. Jetzt heißt es warten.
Okay, das dauert mir zu lange und sicher ist das Ganze ja auch nicht. Ich brauche schnell einen Job. Also, Lebensläufe eingesteckt und los zu all den anderen Videotheken in der Umgebung. Da ich vorher in einer sehr kleinen heimelichen Videothek gearbeitet habe, sind mir die großen Ketten alle suspekt. Sie ekeln mich an.
In den letzten Tagen hat sich diese Meinung rasant geändert, meine Toleranzschwelle ist gesunken. Dennoch, ich war schon ein bisschen erleichtert, als ich heute eine Absage von einer Filiale bekam, in der die sogar Wein in einem Pseudoweinkennermetallständer verkauften. Was zuviel ist, ist zuviel. Wozu gibt’s Spätis? Schlussendlich waren einige Videotheken überbesetzt, für eine andere sollte ich eine richtige Bewerbung schreiben, wiederum eine andere stellt nur Frauen ein – wie bitte? Nur Frauen? Das ist sexistisch. Einen männlichen Filialleiter würden sie nehmen...und dann konnte ich doch noch einen Lebenslauf einfach abgegeben.
Hierzu muss man hinzufügen, dass es ein amerikanischer Lebenslauf ist, soweit ich weiß unterscheidet der sich vom deutschen (wenn es diesen als Spezialfall überhaupt gibt) dadurch, dass man die Daten chronologisch gesehen vom Neuesten zum Ältesten also von oben nach unten angibt.
Soviel zu den Videotheken. Jedesmal, wenn ich einen Laden wieder verlasse schlägt mir eine Kaltfront entgegen, aber ich will hier nicht jammern, das geht schon, da ich mich zwischendurch ja auch immer in den geheizten Verkehrsmitteln und Einkaufszentren aufwärmen kann. Videotheken in Einkaufszentren? Nein, die gibt es dort nicht, aber dort gibt es die anderen Arbeitgeber, die sich im Dienstleistungssektor tummeln und bei denen der geneigte Student theoretisch ein bisschen Knete dazuverdienen kann.
Was kann ich denn noch? „Verstärkung gesucht“, und das mit gleich zwei großen Zetteln an Eingangstür und Schaufenster, aber nein, ich kann keine Haare schneiden, das war’s also. Reine Schaufensterschikane. Ich überlege kurz, ob ich nicht doch Haare schneiden könnte, vielleicht wäre ich der Jamie Oliver der Barbierprofession: „Jeder kann Haare schneiden!“. Aber nein, ich gebe den Gedanken auf, ich kann es wirklich nicht.
Ich studiere was mit Literatur. Ich lese gern. Ich kann gut mit Leuten, wenn ich wirklich will. Also rein in die Großbuchhandlung. Ich gebe zwei Bewerbungen in Filialen der gleichen Großbuchhandlungskette ab und habe ein leicht schlechtes Gewissen, weil das den kleinen Buchläden nicht hilft sondern ihnen schadet, aber ich muss mich ernähren. Apropros, warum steige ich nicht beim Fastfood ein? Vielleicht, weil ich es zu gern esse und es nicht ertragen könnte die Hackschnitten nur zuzubereiten, damit sie sich irgendjemand Anderes in den Mund stopft. Das will ich schön selbst weitermachen ohne mehr darüber zu wissen, wie oft die Hackschnitte den gefließten Boden der Küche aus der Nähe gesehen hat (eh alles nur Gerüchte von Spielverderbern und Globalisierungsgegnern...Mist, so werde ich wohl kein guter Globalisierungsgegner, aber das wird schon, ich hab noch viel vor mit der Welt, nur leider auch mit dem Fastfood). War ja doch recht umfangreich der Kampf für den neuen Arbeitsplatz. Und das in Zeiten der Wirtschaftskrise, mittlerweile glaube ich ein bisschen mehr an sie. Aber nur, weil ich kaum etwas über wirtschaftlich Prozesse weiß. Ich weiß ja grad mal, was eine Lohnsteuerkarte ist, dabei musste ich noch nicht mal Steuern bezahlen, weil ich nie genug dafür verdient habe. Aber damit finanziere ich wenigsten nicht mit, was der Staat so damit macht, mit unserm Geld, obwohl es ja eh sein Geld ist, oder? Naja, Rente muss ja auch bezahlt werden, nicht zuletzt meine eigene. Aber deswegen studiere ich ja, damit ich dann danach gleich anfangen kann in die Rentenkasse einzuzahlen.
Oder mein derzeitiger Zustand der Nebenjoblosigkeit ist einer, der mich auf das Leben nach dem Studium vorbereitet. Aber das glaube ich nicht, diese Geschichten gehen doch immer gut aus. Wenn ich mich so reinhänge wie jetzt, dann wird das schon klappen. Irgendwie. Man soll sich ja auch nicht zu viele Gedanken über die Zukunft machen. Schließlich mache ich mir auch keine Gedanken über die Zugspitze, denn von der hab ich auch nur so ein unbestimmtes Gefühl, dass sie irgendwo dort draußen sein muss, halb unerreichbar, halb existent, und ein bisschen angsteinflößend, weil sie so hoch über dem Meeresspiegel ist. Vielleicht weiß ja jemand, was ich meine. Vielleicht sollte ich aber auch nochmal drüber nachdenken.
Ein letzter Versuch. Das müsste dann zweitens, aber eher wahrscheinlich schon drittens sein, ist das Lieferservicegeschäft. Steht glaube ich ein bisschen höher auf der Liste aufregender Jobs als Kellnern (kann ich auch nich, oder noch nicht) und Videotheksmitarbeiter. Ob Sushi oder Pizza, egal, da kann man mal wieder Autofahren üben (Moped is im Winter Stulle, das würd ich nur im Sommer machen) und lernt seinen Bezirk besser kennen. Es gibt da welche, die liefern mit Smarts, das würd ich gern machen, die sind nur grad auch überbesetzt.
Das war nun also Phase eins. Ich habe die Lage gecheckt und ein paar Bewerbungen abgegeben. Wenn mir nicht noch ein Paar mögliche Filialen von was auch immer einfallen heißt es wohl entweder erstmal warten, die Suche auf andere Bezirke ausweiten, oder andere Dienstleister, wie Bars oder Freiluftverkaufstände für Bratwürste oder so. Aber vom Arbeiten in der Kälte habe ich eigentlich genug (Ja, auch in Videotheken kann es sehr kalt werden im Winter).
Ich bin gespannt, ob ich es schaffe. Mein Weg zurück auf den Arbeitsmarkt. Mal schauen.